Digitale Barrierefreiheit

Digitale Barrierefreiheit: Ein Muss für die Zukunft des Webs

In einer zunehmend digitalen Welt ist es entscheidend, dass alle Menschen Zugang zu Websites und Web-Apps haben - unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen. Aber was genau bedeutet „digitale Barrierefreiheit“, warum sollten wir uns alle damit beschäftigen, und wie können wir das erreichen?

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Warum das eine große Rolle spielt

In Deutschland leben rund 9,3 % der Bevölkerung mit schweren Einschränkungen. Das sind Millionen von Menschen, die auf barrierefreie digitale Angebote angewiesen sind, um in der digitalen Welt teilzuhaben. Und weltweit? Die Zahl geht in die Milliarden. Eine Website oder Anwendung nur für eine bestimmte Nutzergruppe zugänglich zu machen, ist nicht nur unethisch, sondern auch wirtschaftlich unklug.

Das Thema wird auch gesetzlich immer relevanter: Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das kürzlich in Deutschland in Kraft trat, werden auch private Unternehmen und kleinere Anbieter stärker in die Pflicht genommen, barrierefreie digitale Angebote bereitzustellen.

 

Was umfasst digitale Barrierefreiheit?

Digitale Barrierefreiheit (auch als a11y bekannt) bedeutet, dass Websites und Apps so gestaltet werden, dass sie für alle Menschen zugänglich sind – unabhängig von ihren körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen. Ziel ist es, eine inklusive Nutzungserfahrung zu ermöglichen. Hierzu zählen unter anderem:

  • Sehbehinderungen

  • Hörbehinderungen

  • Motorische Einschränkungen

  • Kognitive Einschränkungen

Für die Umsetzung kann man sich am POUR Prinzip orientieren.

 

Das POUR-Prinzip: Eine einfache Orientierung

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) bieten klare Richtlinien, die Websites barrierefrei machen. Dabei stützen sie sich auf das sogenannte POUR-Prinzip, das folgende vier Säulen umfasst:

  • Perceivable (Wahrnehmbar): 

    Alle Inhalte müssen so präsentiert werden, dass sie von allen Menschen wahrgenommen werden können – unabhängig von ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. Dies umfasst unter anderem die Bereitstellung von Textalternativen für Bilder und Untertiteln für Videos sowie die Verwendung von gut lesbaren Schriftarten und ausreichendem Kontrast.

  • Operable (Bedienbar): 

    Eine Website muss so gestaltet sein, dass sie von allen Menschen genutzt werden kann. Dabei sollte die Navigation nicht nur mit der Maus, sondern auch mit der Tastatur und anderen Eingabegeräten (z.B. Sprachsteuerung, Touchscreen) problemlos funktionieren. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, Formulare und interaktive Elemente barrierefrei zu bedienen.

  • Understandable (Verständlich): 

    Inhalte müssen für die Nutzer klar und leicht verständlich sein. Dies bedeutet eine intuitive Navigation, eine logische Struktur der Seite sowie die Verwendung einer einfachen und klaren Sprache. Komplexe Informationen sollten auf einfache Weise vermittelt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.

  • Robust (Robust): 

    Inhalte müssen so gestaltet werden, dass sie auf einer Vielzahl von Geräten, Browsern und Hilfstechnologien zuverlässig funktionieren. Dazu gehört, dass sie auch in Zukunft, mit neuen Technologien oder Geräten, zugänglich bleiben. Dies erfordert eine technische Robustheit der Website oder App.

     

Mehr als nur für Menschen mit Behinderungen

Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass Barrierefreiheit ausschließlich Menschen mit Behinderungen zugutekommt. In Wirklichkeit verbessert barrierefreies Design das Nutzererlebnis für alle – unabhängig von Einschränkungen oder speziellen Bedürfnissen. Hier sind einige Beispiele, wie barrierefreies Design auch anderen Nutzern zugutekommt:

  • Lautes Umfeld: Untertitel und Transkripte sind nicht nur für Menschen mit Hörbehinderungen von Vorteil. Sie sind auch eine Hilfe für alle, die sich in lauten Umgebungen aufhalten – sei es in einem Café, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in einem offenen Büro. Untertitel ermöglichen es ihnen, den Inhalt problemlos zu verfolgen.

  • Einhandbedienung: Wer unterwegs ist und nur eine Hand frei hat, stößt oft auf Schwierigkeiten bei der Nutzung von Smartphones oder Apps. Barrierefreies Design berücksichtigt dies, indem es Touchscreens und Apps so optimiert, dass sie auch mit nur einer Hand problemlos bedient werden können. Dies verbessert die Benutzerfreundlichkeit in Alltagssituationen, in denen eine Hand nicht ausreicht.

  • Langsame Internetverbindungen: Gut strukturierte und optimierte Websites sind nicht nur schneller, sondern auch bei einer langsamen Internetverbindung leichter zugänglich. Dies kommt nicht nur Menschen in Regionen mit schwachen Internetverbindungen zugute, sondern auch Nutzern, die häufig auf mobile Daten angewiesen sind.

Darüber hinaus spielt Barrierefreiheit eine wichtige Rolle im Bereich Suchmaschinenoptimierung (SEO). Google und andere Suchmaschinen nutzen semantische Tags und strukturierte Daten, um den Inhalt einer Website besser zu verstehen. Eine barrierefreie Website, die diesen Standards folgt, wird nicht nur von Nutzern, sondern auch von Suchmaschinen besser wahrgenommen und in den Suchergebnissen höher eingestuft. Eine gut zugängliche Website hat daher das Potenzial, eine größere Zielgruppe zu erreichen und mehr Besucher zu gewinnen.

 

Kein „Nice-to-Have“, sondern ein Muss

Digitale Barrierefreiheit ist kein Randthema, sondern ein zentraler Bestandteil moderner Webentwicklung. Sie sorgt dafür, dass jeder – unabhängig von seinen Fähigkeiten – auf digitale Inhalte zugreifen kann. Doch Barrierefreiheit bedeutet mehr als nur die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben oder das Hinzufügen eines „Barrierefrei“-Labels am Ende eines Projekts. Sie ist ein Designprinzip, das das Nutzererlebnis insgesamt verbessert.

Barrierefreiheit ist also keine „Option“, die man nachträglich hinzufügt – sie sollte von Anfang an in den Entwicklungsprozess integriert werden. Jedoch muss man nicht gleich das ganze Projekt umkrempeln. Man sollte kleine Anfangen, Kontraste optimieren, semantische HTML verwenden und die Bedienbarkeit mit der Tastatur testen. Jeder Schritt zählt.

 


Du willst deine Website barrierefreier machen? Hier sind nützliche Technologien zur Umsetzung und Überprüfung der Barrierefreiheit

Testen

Lighthouse (integriert in den Chrome-Entwicklertools): Zeigt den Accessibility-Score einer Website und gibt Hinweise zur Verbesserung.

Screenreader: Programme wie der integrierte Narrator in Windows oder NVDA helfen dabei, Websites aus der Sicht von blinden Nutzern zu testen.

Color Contrast Checker: Tools wie WebAIM oder Silktide helfen dabei, die Farbkombinationen auf deiner Website zu überprüfen.

Ressourcen

The a11y Project: eine Community-basierte Website die praktische Anleitungen, Best Practices und eine Vielzahl von Tools und Ressourcen bietet. Außerdem bietet die Seite auch wertvolle Informationen zu rechtlichen Aspekten und den ethischen Vorteilen von a11y. Es ist eine unverzichtbaren Anlaufstelle für alle, die sich mit der Gestaltung zugänglicher digitaler Inhalte beschäftigen.

 

Angelina Geis

02.09.2025

 

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